Reliquien und Gebeine eines Martyrers oder eines anderen Heiligen; in einem weiteren Sinn Dinge, die mit ihm in enger Beziehung standen, wie Marterwerkzeuge, Kleider u.a.m., sowie schließlich Dinge (vor allem Tücher), mit denen man den Märtyrerleib berührt hatte (brandeum, Kontaktreliquien)
Die Christen des Altertums behandelten die Leiber ihrer Toten, besonders der Märtyrer, mit derselben natürlichen Pietät, die auch in ihrer nichtchristlichen Umgebung selbstverständlich war. Darüber hinaus führte sie der Glaube an die Auferstehung zu einer besonders ehrfürchtigen Behandlung des bestatteten Leibes. Die überkommenen Ausdrucksformen dieser Ehrfurcht (Ölsalbung, Weihrauch, Lichter) bekamen eine neue Sinnfärbung und wurden zum Zeichen der Teilnahme am PaschaMysterium.
Reliquienverehrung ist zunächst an das Grab gebunden. Die Gemeinden schätzen ihre besonders begnadeten Glieder und betrachten sie als ihre Patrone. Wegen der antiken Gesetze über die Unverletzlichkeit der Grabstätten errichtete man Kirchen unmittelbar über den Gräbern. Aus verschiedenen Motiven beginnt man, Reliquien in die Stadtkirchen zu übertragen und unter dem Altar beizusetzen, bis es im frühen Mittelalter schließlich Vorschrift wird, dass jeder Altar ein Reliquiengrab enthält. Um die Reliquien besser verehren zu können, bildeten sich, dem Zeitgeschmack entsprechend, verschiedene Formen aus, von der Confessio zur Krypta und zum Hochgrab hinter dem Altar und dem Glassarg des Barock, dazu Reliquiare in verschiedenen Formen.
Reliquienverehrung entfernt sich leicht von ihrem Ausgangspunkt und sieht in den Reliquien dann Träger überirdischer Kräfte und Garantien des himmlischen Schutzes (Magie). So kämpfte man um ihren Besitz, zerteilte sie, um vielen von ihrer Kraft mitzuteilen; man trägt sie in Kapseln umgehängt, nimmt sie pulverisiert als Medizin und fügt sie mancherorts sogar den Farben zum Malen der Ikonen bei. Seit der Aufklärung spielt Reliquienverehrung nördlich der Alpen nur noch eine geringe Rolle. Der neue Kirchweih-Ritus verlangt, dass Reliquien nur dann in oder unter dem Altar beigefügt werden dürfen, wenn sie durch ihre Größe als Körperteile erkennbar sind und ihre Echtheit erwiesen ist.